Ein Mentoring voller Überraschungen – Unsere Mentorin Svenja im Gespräch (2016)
Jedes Mentoring entwickelt sich einzigartig, oft geschehen unvorhersehbare Dinge. Doch unsere Mentorin Svenja und ihr Mentee wurden von einem Ereignis überrascht, nach dem nichts mehr so war wie zuvor.
Warum ein Mentoring?
Wenn Svenja von ihrem Mentoring erzählt, leuchten ihre Augen. Mit einem Lächeln im Gesicht erzählt sie, wie sie durch eine Bekannte vom Projekt erfahren hat. Bald darauf wurde sie Mentorin. Svenja weiß, dass es ein Privileg ist, sich mit Sorgen, Nöten und Fragen an kompetente Menschen im Umfeld wenden zu können. Sie erzählt, dass sie immer Menschen hatte, auf die sie sich verlassen konnte. Dass sie nie alleine dastand.
Warum sie sich gerade für das Mentorenprojekt entschieden hat? „Eigentlich habe ich es schon immer spannend gefunden, etwas mit jungen Menschen zu machen, ein Vorbild zu geben und trotzdem noch auf einer Wellenlänge zu sein. So wie bei dem 1:1 Ansatz im Mentorenprojekt – einen richtigen Draht zueinander entwickeln und sich richtig kennenlernen.“
Und dennoch, einen Draht zueinander zu finden war nicht leicht. Am Anfang musste Svenja ihrem Mentee alles aus der Nase ziehen, berichtet sie lachend. Sie seien sich fremd gewesen, aber irgendwann sei der Knoten geplatzt. Nach zweieinhalb Jahren spricht Svenja von ihrem Mentee als ihrer Freundin.
Ein neuer Blickwinkel
Ein weiterer Anreiz war für sie, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sie sonst nie kennengelernt hätte. Auch dann nicht, wenn sie in ihrem unmittelbaren Umfeld leben. Es sei schon ein kleiner Schock gewesen, zu sehen, in was für einer kleinen 3-Zimmerwohnung ihr Mentee mit ihrer Familie zu acht lebte.
„Ich habe aber auch gelernt, dass in ihrer Kultur die Familie das Allerwichtigste ist, dass es für sie nicht schlimm war, ihr Zimmer teilen zu müssen. Es ist wirklich anders als mein Hintergrund. Auch Themen wie Kinderkriegen…“ Ihr Mentee habe ihr erzählt, dass sie erst spät Kinder bekommen möchte, so mit 23 Jahren. Für Svenja ein weiterer Anlass zu lächeln.
Sie findet es interessant zu sehen und zu erfahren, wie anders das Leben bei ihren Nachbarn sein kann. „Wenn ich mir in Neukölln die Häuser angucke und mich frage, wer eigentlich darin wohnt, merke ich, dass da Welten zwischen uns liegen können. Das hat mir noch mal die Augen geöffnet. Es ist ja klar, dass es so ist, aber es wirklich zu erfahren und zu verstehen: das ist meine Nachbarschaft, ist etwas anderes. Jemanden aus meiner Nachbarschaft kennenzulernen, fand ich wirklich sehr schön. Nicht nur von anderen zu hören und Vorurteile zu pflegen, sondern mit dabei zu sein.“
Eines der Vorurteile bestand darin, dass es unmöglich ist, dass acht Leute auf so engem Raum zusammen wohnen. „Was ist denn da drinnen, ein Matratzenlager?“, habe sie zuerst gedacht. „Aber das hat sich widerlegt, die machen das ganz praktisch und bekommen es hin, die Wohnung tipptopp sauber zu halten. Da lag nie ein Staubkörnchen rum.“
Dass Muslime es besonders streng mit ihrer Glaubensausführung halten, sei ein weiteres Vorurteil gewesen. In der Familie ihres Mentees sei es sehr viel lockerer gewesen, als sie angenommen hatte. Natürlich gebe es Regeln, mit denen aber jeder ganz unterschiedlich umgehe.
Unerwartete Entwicklungen
In ihrem Mentoring lief zunächst alles wunderbar. Ihr Mentee fand nach dem erfolgreichen Schulabschluss eine Ausbildungsstelle als Zahnarzthelferin und hatte eine Probearbeit absolviert. „Wir hatten alles zusammen gepackt und waren sehr glücklich, dass ein Traum in Erfüllung geht.“ Dann kam die unerwartete Nachricht der Abschiebung ins Haus. Svenjas Gesicht spiegelt diese schmerzvolle Erfahrung wieder, als sie davon erzählt.
Trotz der Bereitschaft der Zahnarztpraxis ein halbes Jahr auf sie zu warten und den Bemühungen seitens des Mentorenprojekts, gelang es nicht, Svenjas Mentee vor der Abschiebung zu bewahren. Doch gemeinsam mit der Projektleiterin des Mentorenprojekts, Ursula Rettinger, gibt sie die Hoffnung nicht auf, dass das Mentee zurückkommen darf. Im Moment ist nicht klar, ob und wann es möglich sein wird.
Nur in einem ist sie sich sicher: Sie werden weiter Kontakt halten.