15. Dezember 2021
Visionen für Neukölln (12/2021): Verbundenheit und Frieden
Yakup Ayar und Dr. Reinhard Kees engagieren sich gemeinsam bei den „Abenden der Begegnung“, die seit 2005 verschiedenste Menschen und Gruppen im Interkulturellen Zentrum Genezareth zusammenbringen.Yakup Ayar ist islamischer Theologe, Vorstandsvorsitzender der DITIB Şehitlik Türkisch-Islamische Gemeinde zu Neukölln e.V.; Dr. Reinhard Kees ist evangelischer Pfarrer am IZG und im Kirchenkreis Neukölln für interreligiöse und interkulturelle Begegnungen.
Im N+Kalenderblatt Dezember beschreiben sie ihre Vision für Neukölln in 15 Jahren:
Auch wenn wir beide Geistliche sind, so sind wir doch keine Propheten. Wir können nicht sagen, was in 15 Jahren sein wird. Aber wir können sagen, was wir uns für unser interreligiöses Zusammenleben in Neukölln für die Zukunft wünschen:
Als erstes wünschen wir uns Respekt füreinander. Menschen in unserem Stadtbezirk sind verschieden:
Sie sind unterschiedlich von der jeweiligen Kultur ihres Elternhauses geprägt. Sie leben in unterschiedlichen Zusammenhängen, in unterschiedlichen Gemeinschaften, verschiedenen Generationen. Sie haben ihre jeweiligen Lebensauffassungen, ihre Lebensziele- und träume. Und sie haben unterschiedliche religiöse oder säkulare Prägungen. Das alles wollen und müssen wir respektieren.
Wir wollen die Unterschiede nicht einebnen. Gerade die Vielfalt macht unseren Stadtbezirk spannend. Es macht keinen Sinn, alles gleichzuschalten. Und vor allem, wer sagt denn, in welcher Weise alles eins sein sollte. Gegenseitiger Respekt und die Achtung der Würde der jeweils anderen sind und bleiben die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens. Das wünschen wir uns für heute und auch für das Leben in 15 Jahren.
Als zweites wünschen wir uns mehr Wissen, mehr Kenntnis voneinander und übereinander. Dazu wollen wir mit unserem „Grundkurs Bibel und Koran“ und mit unserer interreligiösen und interkulturellen Arbeit in der Sehitlik Moschee und im Interkulturellen Zentrum Genezareth beitragen. Unwissenheit, Fremdheit schüren Ängste. Die kann man abbauen. Wir wollen uns einander vertraut machen, wollen sprachliche, kulturelle und religiöse Gräben überbrücken. Das heiß nicht, sie zu nivellieren, aber es heißt, das Trennende, das Fremde zu minimieren und das Gemeinsame, Verbindende betonen.
Als Drittes und Grundlegendes wünschen wir uns Frieden in unserer Gesellschaft. Bei allen Unterschieden müssen die Menschenrechte und unsere Grundordnung die Basis unseres Zusammenlebens bleiben. Wenn diese in Frage gestellt werden, steht das friedliche Zusammenleben auf dem Spiel. Nur in einem gesellschaftlich friedlichen Umfeld können Kulturen und Religionen sich frei entfalten. Das Recht, das ich für mich und meine Gemeinschaft einklage, muss ich dem anderen und seiner und ihrer Gemeinschaft auch zugestehen.
4. Platz im N+Fotowettbewerb 2020, Copyright: Bürgerstiftung Neukölln